Interview über den Beruf
Es gibt Berufe, deren Ursprünge schon weit zurückliegen und deren Produkte uns dennoch beinahe täglich das Leben erleichtern. Trotzdem (oder gerade deshalb?) nehmen wir diese Produkte als so selbstverständlich war, dass nur den Wenigsten in den Sinn kommt, dass dahinter ein Berufsbild steckt. Oder habt Ihr Euch etwa schon einmal gefragt, wer die Anleitung geschrieben hat, ohne deren Hilfe Ihr Euren neuen Thermomix TM5 immer noch nicht zum Kochen gebracht hättet?
Aus diesem Grund haben wir heute für Euch ein Interview mit Frau Obermöller-Gras, einer selbstständigen Technischen Redakteurin, die etwas über ihren Beruf und die Fähigkeiten, die man mitbringen sollte, erzählt.
Liebe Frau Obermöller-Gras, Sie arbeiten im Bereich der Technischen Dokumentation. Können Sie unseren IT-Talenten vielleicht einmal kurz beschreiben, was die Aufgaben eines Technischen Redakteurs sind?
In einem Satz: Technische Redakteure schreiben verständliche Anleitungen.
Aber wir sind auch für alle anderen Aspekte technischer Dokumentation zuständig. Das beginnt mit dem Konzept und den rechtlichen Anforderungen, über die Umsetzung bis zur Veröffentlichung. Technische Redakteure recherchieren, schreiben, bearbeiten Bildmaterial und gestalten die Dokumentation. Neben gedruckten Anleitungen gehören digitale Ausgaben, Online-Hilfen und Tutorials selbstverständlich dazu.
Wir sind Spezialisten für Alles. Im Prinzip. Technische Redakteure brauchen ein breites Grundwissen, deshalb arbeiten sie in jeder Branche. Tiefergehende Fachkenntnisse oder neues Wissen werden oft nebenbei erworben, auch weil technische Entwicklungen und Fortschritte sich immer auf die Arbeit auswirken. Das macht den Beruf anspruchsvoll, aber auch abwechslungsreich.
Was ist Ihrer Meinung nach wichtiger: technisches Verständnis und Know-how oder die Fähigkeit, Sachverhalte unkompliziert und verständlich zu beschreiben, sodass jeder sie versteht?
Die Fähigkeit, effektiv zu kommunizieren. Denn die Herausforderung liegt darin, dass so viele unterschiedliche Menschen beteiligt sind. Alle haben einen eigenen fachspezifischen Blickwinkel. Als Technische Redakteurin bin ich sozusagen die Schnittstelle zwischen allen.
Technisches Verständnis und Inhalte zu vermitteln ist dabei dann etwa gleich wichtig. Ich arbeite mit Entwicklern, Ingenieuren, Fachabteilungen und deren Vorgesetzten. Das kann andere Standorte, Lieferanten und die Führungsebene einschließen. Selbst Kunden und Endbenutzer können Ansprechpartner sein. Da hat jeder ein anderes, technisches Fachwissen oder eben nicht. Dem muss ich mich anpassen.
Ich spreche neben Englisch daher auch verschiedene Fachsprachen. Die ich inhaltlich verstehe und passend zur Situation übersetze.
Bei jedem Projekt laufen viele Informationen bei mir zusammen, einige bearbeite ich selbst, andere leite ich an die richtigen Ansprechpartner weiter. Technische Dokumentation hat sehr viel mit Informationsaustausch zu tun und effektiv zu kommunizieren ist daher sehr wichtig.
Woraus entstand bei Ihnen die Idee, sich mit technischer Dokumentation zu beschäftigen? Uns würde Ihr beruflicher Werdegang interessieren, da technische Dokumentation wahrscheinlich kein Beruf ist, der jedem direkt präsent ist, wenn es um die Berufswahl geht. Haben Sie eine Ausbildung gemacht, studiert oder sind Sie Quereinsteigerin?
Mir war das auch kein Begriff, die Studienberatung hat mich darauf gebracht. Es gab Infoveranstaltungen von der Schule, aber nichts sprach mich direkt an. Also bin ich zu den Universitäten und Hochschulen in der Region gefahren, hab erzählt welche Schulfächer mich interessieren und gefragt, welcher Studiengang Ihrer Meinung nach dazu passen könnte.
„Technische Redaktion“ war eine der Antworten an der Hochschule Hannover. Trotz kurzer Erklärung hatte ich keine klare Vorstellung von dem Beruf, daher habe ich eine Woche meiner Osterferien „studiert“. Alle Dozenten waren so freundlich, mir zu erlauben an ihren Veranstaltungen im 2. Semester teilzunehmen. Auch mit den Studenten bin ich ins Gespräch gekommen und bekam einen guten Einblick was technische Redaktion ist.
Danach stand für mich fest, ich komme nach meinem Abitur wieder und mit der Entscheidung bin ich immer noch sehr zufrieden.
Ist effektives Kommunizieren denn etwas, das man lernen kann oder ist das nicht eher eine Fähigkeit, die einem – zumindest in Teilen – in die Wiege gelegt wird?
Ja, effektives Kommunizieren ist definitiv etwas, das man lernen kann. Es gibt verschiedene Kommunikationstheorien, die uns im Studium näher gebracht wurden. Dazu gehören beispielsweise Techniken für das aufmerksame Zuhören: Man kann seinem Gegenüber auch beim Zuhören durch widerspiegeln der Inhalte signalisieren, dass man konzentriert ist und ihm folgen kann.
Ist man selbst der Sprechende, so ist es sinnvoll, so oft wie möglich auf aktive Formulierungen zurückzugreifen statt auf passive. Für eine effektive Kommunikation sind auch immer zwei Seiten verantwortlich, deshalb ist es ratsam, bei seinem Gegenüber nachzufragen, ob das Gesagte verstanden wurde und keine Fragen mehr offen sind. Um diese Prozesse zu verinnerlichen, werden in unserem Studium unter anderem Kommunikationstrainings absolviert, sowohl für die gesprochenen Sprache als auch für die Körpersprache, denn auch hier macht die Übung den Meister.
Können Sie vielleicht noch kurz etwas zu den anderen Studieninhalten sagen, mit denen Sie sich beschäftigt haben?
Zu Beginn unseres Interviews sagte ich, dass wir im Prinzip Spezialisten für Alles sind. Das kommt natürlich nicht von ungefähr, sondern baut auf einem enorm vielseitigen Studium auf. Zu Kursen im Bereich der Linguistik, die weniger überraschend sind, gesellen sich unter anderem auch Kurse in Logik, Informatik, Physik, Chemie, Elektrotechnik, Java, XML, technischem Zeichnen – und noch einige andere. Dieses umfangreiche Kursangebot ist dafür zuständig, ein breitgefächertes Basiswissen zu vermitteln.
Je nach Branche, in der man später tätig ist, gilt es dann, sein fachliches Wissen zu vertiefen. Es ist auch kein Einzelfall, wenn beispielsweise Informatik- oder Elektrotechnikstudenten nach 2-3 Semestern merken, dass sie mit ihrer ersten Studienwahl vielleicht doch nicht ganz glücklich werden und dann ins Studium des “Technischen Redakteurs” wechseln. Dadurch können sie das bereits vorhandene fachliche Wissen trotz Studiengangwechsel weiter sinnvoll nutzen und sie haben vielleicht sogar einen kleinen Vorteil, durch das tiefergehende Wissen, das sie aus ihrem vorherigen Studium mitbringen.
Auch hier gilt: Üben, üben, üben. Auch wenn man sich bei manchen Aufgaben durchaus blöd vorkommen kann, lernt man beim ersten Blick in die Praxis, wie wichtig das alles war.
Mittlerweile sind Sie selbstständig. Wie stellen Sie sich die Zukunft im Optimalfall vor?
Arbeitsreich, interessant und wirtschaftlich erfolgreich wäre optimal. Denn ich arbeite gern in meinen Beruf, so mache ich die Welt etwas verständlicher und finanzielle Sicherheit ist angenehm. Außerdem interessiert mich der technische Fortschritt, denn Produkte werden komplexer, aber sie sollen gleichzeitig einfacher zu bedienen und sofort verständlich sein. Da passiert noch einiges und ich möchte dabei sein, Neues lernen, nutzen und mit Lösungen entwickeln.
Haben Sie zum Abschluss vielleicht noch einen Ratschlag, den Sie unseren IT-Talenten auf den Weg mitgeben wollen, sei es zur Selbstständigkeit oder zur Berufswahl, etwas, das Sie als wichtig erachten?
Für mich ist gute Kommunikation einer der Schlüssel zum Erfolg. Daher halte ich regelmäßig lesen, sich sinnvoll auszutauschen und richtig zuhören für empfehlenswert. Letztlich muss jeder für sich entscheiden und ausprobieren, was hilft, die persönlichen Ziele zu erreichen.
Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für unsere Fragen genommen haben, Frau Obermöller-Gras, wir wünschen Ihnen noch einen schönen Tag und alles Gute für die Zukunft.
Dokumentation wird oft unterschätzt, da nehme ich mir gern die Zeit. Vielen Dank.