Ausschlafen, ein paar Vorlesungen besuchen und abends Party machen. So kommt mir rückblickend mein Studium vor. Zumindest die letzten Semester waren recht entspannt – im Vergleich zum Anfang des Studiums und im Vergleich zu meinen jetzigen 50-Stunden-Wochen in der IT-Beratung erst recht. Nach meinem Master in Wirtschaftsinformatik habe ich in einem internationalen Top-IT-Beratungshaus angefangen.
Lasst Euch also eines gesagt sein: Wenn Ihr gerade am Anfang des Studiums steht und vor lauter Vorlesungen, Übungen und Hausaufgaben nicht mehr wisst, wo oben und unten ist und das Wort “Party” schon gar nicht mehr kennt: Haltet durch, zum Ende hin wird es besser. Und dieses Ende solltet Ihr genießen! Denn danach fängt erst “der Ernst des Lebens an”, wie mein Vater zu sagen pflegt.
Das Studium als Vorbereitung auf den Job?
Das Berufsleben ist eben wieder etwas ganz Neues. So, wie man nach der Schule aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen wird, so muss man auch nach dem Studium wieder einmal alles hinter sich lassen und neu anfangen. Aber sollte ein Studium nicht genau darauf vorbereiten – auf den Beruf? Gerade für Uni-Absolventen ist der “Praxis-Schock” als sogenannter Young-Professional meist sehr groß. Vielleicht steht Ihr später im Job und könnt die Inhalte aus Eurem Studium bei der Bewältigung Eurer täglichen Arbeit kaum verwenden. Vielleicht fragt Ihr Euch dann, wieso Euch das Studium nicht darauf vorbereitet hat. Insgeheim hat es das aber. Vielleicht nicht speziell auf diese Aufgabe, aber das kann ein Studium auch gar nicht leisten. Es geht vielmehr darum, wie Ihr nun reagiert, wenn Ihr eine neue Aufgabe vor Euch habt. In der Schule habt Ihr einfach die Aufgaben entsprechend des Lösungsweges, den der Lehrer beschreibt, gelöst und dies zu Hause durch weitere Aufgaben gefestigt. Im Studium hingegen, setzt Ihr Euch dann zu Haus oftmals mit Aufgaben auseinander, von denen Ihr nicht wisst, wie man sie löst. Ihr müsst es selbst herausfinden und das ist das Ziel. Während Ihr also in der Schule gelernt habt zu lernen, lernt Ihr im Studium, Unbekanntes selbstständig zu meistern. Daneben benötigt man aber im Beruf auch dennoch einige Kenntnisse aus dem Studium, man merkt es nur nicht so oft im Berufsalltag.
IT-Beratung – Passt der Job zu mir?
Gerade in der Unternehmensberatung ist das Wasser, in das man fällt, ziemlich kalt, was das Schwimmen darin nicht besonders erleichtert. Aus diesem Grund ist andererseits auch die Lernkurve sehr steil, denn es stimmt: man wächst mit seinen Aufgaben. Mein Wirtschaftsinformatik-Studium hat mich recht gut auf Präsentationen vorbereitet. Jedoch hätte ich mir auch am Ende nicht vorstellen können, einen mehrstündigen Workshop mit IT’lern, die 10 Jahre und mehr Berufserfahrung haben, zu moderieren. Manchmal führt aber einfach kein Weg darum herum. So rief mich eines Morgens mein Chef im Hotel an und meinte, ich müsse das Meeting heute allein bestreiten, da er krank sei und zum Arzt müsse. Man gibt dann einfach sein Bestes und zieht es durch. Aus Fehlern wird gelernt und beim nächsten Mal werden Sie vermieden – das hilft auf jeden Fall besser, als wenn man gesagt bekommt, was man unbedingt unterlassen sollte. Ihr merkt also, in der Beratungsbranche sollte man eine gewisse Selbstsicherheit oder zumindest auch in Stresssituationen Ruhe ausstrahlen können. Mir hilft es beispielsweise, vor einem wichtigen Kundentermin gedanklich einen Schritt zurückzutreten und zu überlegen, wie unwichtig dieser Termin eigentlich globalgalaktisch betrachtet ist.
Nichtsdestotrotz sind die Präsentations-, Moderations- und auch die Motivationsfähigkeit ein entscheidendes Moment in der Beratung. Daneben erfordert besonders die IT-Beratung ein hohes analytisches Denkvermögen. Hört sich an wie in einer Job-Beschreibung? Stimmt aber: Extrem komplexe “Probleme”, wie zum Beispiel das Analysieren aller IT-Systeme der gesamten Anwendungslandschaft einer Bundesoberbehörde inklusive ihrer Interdependenzen untereinander sowie die Auswirkungen auf Geschäftsprozesse bei gewissen Änderungen erfordern Analysefähigkeit. Es ist also gut, wenn Ihr strukturiert arbeiten könnt, indem Ihr z. B. Top-Down systematisch an die Sache herangeht, durchgängig motiviert dranbleibt und alles auf der gleichen Detailebene betrachtet. “Probleme” steht übrigens in Anführungszeichen, weil es für Berater keine “Probleme”, sondern nur Herausforderungen gibt. Probleme treten nur auf, wenn Risiken nicht erkannt wurden, was durch unsere Hilfe natürlich nicht passiert!? Leider nicht: Wir sind
auch nur Menschen und kochen auch nur mit Wasser, sind aber oftmals mit etwas größerem Herzblut und größerer Sorgfalt bei der Sache als so mancher Kunde uns gegenüber.
Der Joballtag
Dieses Engagement, das Berater an den Tag legen, wird ihnen von Anfang an beigebracht. Erstens, wie bereits beschrieben, werden sie direkt ins kalte Wasser geworfen. Zweitens wird ihre Leistung permanent überwacht, sowohl die Qualität als auch die Quantität der Arbeit. Die Beratungshäuser verdienen natürlich nur Geld, wenn ihre Berater für die Kunden arbeiten. Somit muss jeder Berater alle Stunden, die er geleistet hat, offenlegen und damit nachweisen, was er wann getan hat. Neben dieser quantitativen Überwachung wird auch die Qualität überprüft. So beurteilt der Kunde in regelmäßigen Abständen die geleistete Arbeit und auch die Projektleiter und Personalvorgesetzten des Beraters ermitteln in regelmäßigen Abständen in Mitarbeitergesprächen die Leistung. Drittens werden Berater stets angehalten, sich selbst weiterzubilden und weiterzuentwickeln. So ist es in meinem Unternehmen üblich, obligatorische Weiterbildungen zu besuchen, um die nächste Beförderung erhalten zu können oder sich auch für das Knowledge Management im Unternehmen zu engagieren (z. B. Projekt- oder Erfahrungsberichte beim Einsatz neuer Technologien schreiben). Das alles führt natürlich, besonders bei Absolventen ohne viel Berufserfahrung, zu einer enorm steilen Lernkurve, hält aber auch den Stresspegel auf einem ziemlich hohen Niveau.
Die Vorzüge des Beraterlebens
Diesem erhöhten Stress würde sich natürlich niemand freiwillig aussetzen. Gerade als Berufseinsteiger suchen viele oft die Herausforderung. Schnell viel zu lernen und an Erfahrung zu gewinnen, ist für viele nach dem Hochschulabschluss wichtig. Doch auch die extrinsische Motivation ist selbstverständlich ein wesentlicher Bestandteil auf den niemand verzichten möchte. So versuchen die Beratungshäuser ihren Mitarbeitern das anstrengende Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Neben den im Vergleich zu anderen Berufen recht üppigen Gehältern kommen eine Reihe weiterer Annehmlichkeiten dazu. Als Berater ist man natürlich viel unterwegs und deshalb sollten die vielen und langen Reisen so angenehm wie möglich gestaltet werden. Einfach zu buchende Flüge und Mietwagen sowie Bahnfahrten, teilweise sogar in der ersten Klasse sind natürlich kein Problem. Gute Hotels bis zu einem gewissen Übernachtungsbudget und die Spesen gehören auch dazu. Laptop und Handy inklusive All-Inclusive-Mobilfunkvertrag und außerdem die Bonuszahlungen, je nachdem, wie gut man im Mitarbeitergespräch abschneidet. Und auch sonstige Vergünstigungen, wie Essenszuschüsse oder Karten für den öffentlichen Nahverkehr müssen zum Gehalt dazugerechnet werden. So ist es nicht unüblich, dass ein Berufseinsteiger bei einer großen Beratungsfirma schnell das 1,5 fache im Vergleich zu einem “herkömmlichen” Job verdient. Und gerade das viele Reisen ist wohl für die meisten Berater (zumindest für die jüngeren) sehr interessant. Ich bin jetzt erst ein Jahr dabei, habe aber dienstlich bereits fünf Bundesländer und viele große Städte bereist. Und auch die Aufstiegschancen sind enorm. Ich vermute, dass ich nächstes Jahr (oder im schlechtesten Fall im Jahr darauf) befördert werde.
Wer also Lust hat auf große Herausforderungen, viel Verantwortung, einen großen und schnellen Wissenszuwachs, wer reichlich herumkommen, in die Chefetagen von Firmen gucken und viele äußerst verschiedene Menschen kennenlernen will (und gern viel Geld verdienen möchte), dem kann ich die IT-Beratung nur empfehlen.