Deutsche Unternehmen sind an vielen Stellen längst nicht so digital wie es möglich oder auch nur wünschenswert wäre. Im Gegenteil, in vielen Abteilungen unterscheiden sich die Arbeitsweisen, abgesehen vom mit Office-Basisprogrammen ausgestatteten PC, nicht wirklich von den späten 1980ern. Wer das ändern will, muss nicht nur das Problem überhaupt erkennen, sondern es auch in der richtigen Reihenfolge, mit den richtigen Leuten und maximaler Konsequenz angehen. Digitale Transformation funktioniert nur als stringent durchgeführte Maßnahme mit fester Abfolge von Schritten, die Entscheider einhalten sollten.
Tatsache ist, dass die allermeisten Unternehmen, trotz gewisser Erfolge in jüngster Zeit, große und kleine Digitalisierungs-Baustellen haben.
Dabei lässt sich nur die Tendenz beobachten, dass diese umso zahlreicher und tiefgreifender sind, je kleiner die Firma und je weniger techniklastig ihre Ausrichtung ist – doch selbst die Großindustrie ist nicht perfekt.
Tatsache ist ebenfalls, dass nicht jeder Entscheider IT-Profi sein/werden muss, um diese Problemzonen zu erkennen. Konkrete Lösungen gibt es, wenn man einen IT-Consulter beauftragt. Allerdings kann man vieles auch selbst eruieren, ohne diesen Kostenpunkt:
- Der online durchgeführte Digitalisierungs-Check des Landes Hessen offeriert Lücken
- Eine oder mehrere Abteilungen basiert auf bzw. arbeitet größtenteils mit analogen Medien – es gibt also beispielsweise eine „Zettelwirtschaft“, viele Aktenordner usw.
- Es gab Situationen, in denen analoge Erfassung zum Problem wurde
- Die Konkurrenz wirkt subjektiv deutlich weiter
Vieles davon können Entscheider selbst herausfinden. Allerdings ist schon dieser erste Schritt auch einer, bei dem man andere ins Boot holen sollte.
Die Firma hat eine IT-Abteilung? Dann ist deren Personal erste Anlaufstelle und sollte es grundsätzlich regelmäßig sein, um Verbesserungspotenziale herauszufinden – dort sitzen die Fachleute, wegen denen der Entscheider kein IT’ler sein muss.
Selbst wenn das Unternehmen zu klein ist, um eine IT-Abteilung zu haben, sollte man dennoch andere Belegschaftsmitglieder fragen – oft steckt dort ein hohes, ungenutztes digitales Wissenspotenzial, das abgeschöpft werden kann.
Den Nutzen erkennen
Digitalisierung geht in jeder Branche – und sie wird auch in jeder immer wichtiger. „Brauchen wir nicht“ ist schlicht gefährlich falsch.
„Für was brauche ich Digitalisierung? Wir decken hier Dächer!“
So ähnlich werden viele Firmeninhaber reagieren, wenn ihnen jemand rät, ihr Unternehmen am digitalen Wandel teilhaben zu lassen, sie erkennen den Sinn nicht.
Das muss nicht einmal etwas mit Fortschrittsfeindlichkeit zu tun haben. Tatsache ist vielmehr, dass über unternehmensdigitale Potenziale und Möglichkeiten längst nicht so breitgesellschaftlich berichtet wird, wie es notwendig wäre – auch darin zeigt sich Deutschlands digitale Rückständigkeit.
Deshalb ein allgemeingültiger Grundsatz:
Es gibt keine Firma in keiner Branche, die nicht durch Investition in digitale Techniken schneller, günstiger und effektiver ihren Job machen kann – ganz gleich, wie analog dieser sein mag.
Jeder Entscheider muss unternehmerisch denken. Digitalisierung ist nur die logische Schlussfolgerung unternehmerischen Denkens, denn sie senkt entweder die Kosten und den Zeitaufwand oder erhöht die Gewinne und macht das Unternehmen zukunftsfähiger.
IT-Mitarbeiter eines Unternehmens sollten sich als Berater für die digitale Firmentransformation verstehen, auch wenn das nicht ihr primäres Jobprofil ist.
Die Strategie planen
In jedem Unternehmen wird das Erkennen digitaler Baustellen die Schwerpunkte anders gewichtet haben.
Doch egal, wie groß oder vielleicht auch klein der anstehende Aufwand ist, er sollte sauber durchgeplant werden. Und der wichtigste Schritt dazu lautet, die Maßnahmen richtig zu timen – und zwar zunächst von „wichtig“ nach „weniger“ wichtig.
Beispiel: Das einzig digitale in einer Autowerkstatt ist der Diagnosecomputer und der uralte Windows-Vista-PC, auf dem zwischen Auftragserfassung und Steuerzahlung alles gemacht wird.
In dem Fall sollte zunächst überhaupt in eine zeitgenössische Hardware investiert werden, bevor man sich mit den Feinheiten wie einer Software für Lagerhaltung, Buchhaltung und dergleichen befasst.
Übrigens gilt auch folgendes: IHKs und HWKs sind für Gewerbetreibende auch bei der Digitalisierung ein verlässlicher Ansprechpartner.
Das richtige Werkzeug wählen
Es gibt, allein was die digitale Buchhaltung anbelangt, unzählige Programme, die für sich werben; aber längst nicht alle davon sind für jedes Unternehmen gleichermaßen tauglich.
Dieser Schritt besteht deshalb daraus, sich beraten lassen und zu vergleichen. Auch hier sollte die Hilfe von IHK/HWK und den IT-Fachleuten gesucht werden.
Ganz wichtig: Egal, welchen IT-Beruf man erlernt hat, es sollte Ehrensache sein, die Firmenleitung bei ihren Entscheidungen zu unterstützen – und ihnen vielleicht auch Fehler bei ihrer bisherigen Denkweise aufzuzeigen. Als IT’ler obliegt einem auch die Mitverantwortung des digitalen Wohls seines Arbeitgebers.
Schulen lassen
In einem Unternehmen, das nur einen geringen digitalen Nachholbedarf hat, wird dieser Punkt nicht sehr umfangreich ausfallen und kann vielleicht schon durch eine schnelle Zwischendurch-Erklärung des angestellten Administrators erfolgen.
Aber es gibt auch den umgekehrten Weg. Firmen, die durch Konsequenz nun vielleicht sogar einige digitale Generationen übersprungen haben.
Und dann wird es vollkommen normal sein, dass weder Entscheider noch diejenigen, die mit den Anwendungen arbeiten müssen, sie vollumfänglich bedienen können. Auch eine Erklärung desjenigen, der die Systeme aufbaut und/oder installiert bzw. wartet, reicht dabei häufig nicht aus.
Kein Metallbaubetrieb würde sich eine fünfachsige CNC-Fräse samt abgestimmter CAD-CAM-Software für abertausende Euro kaufen ohne die Mitarbeiter entsprechend zu schulen.
Große Hersteller haben dafür eigene Abteilungen und bieten dies als Inhouse durchgeführte Modular-Lösung an. Dies ist die effektivste Variante, denn:
- Synergieeffekte, weil alle Mitarbeiter beteiligt sind – und einer versteht immer etwas besser oder schlechter als der andere
- Erklärung in einem Umfeld „as it is“, an dem Rechner und mit genau dem Softwaremodell, mit denen alle arbeiten müssen
- Intimeres Umfeld unter Kollegen, dadurch effektiveres Lernen, mehr Bereitschaft zum Nachfragen usw.
- Keine Ausfälle durch Fahrt zu weit entfernten Schulungen
Dabei sollte man, wann immer möglich, auf Herstellerschulungen setzen und nicht solche durch Dritte – diejenigen, die digitale Produkte herstellen, wissen am besten, was es dazu zu vermitteln gibt.
Und: Auch Entscheider sollten solchen Schulungen beiwohnen.
Inhouse-Schulungen für digitale Programme und Prozesse sind meist effektiver, weil sie mehr Personal umfassen und Verluste durch Wissens-Weitergabe vermindern.
Altes abschaffen
Mal angenommen, ein Unternehmen hat sich für eine zeitgenössische Buchhaltungssoftware entschlossen.
Zum Funktionsumfang vieler dieser Tools gehört es auch, Belege GoBD-konform zu digitalisieren und zwar via Connector aus Office-Dateien, ohne den Umweg über das analoge Ausdrucken und/oder Einscannen gehen zu müssen.
Kein Papier mehr vonnöten – eigentlich. Denn wie in jedem Unternehmen wird es auch hier vermutlich jemanden geben, der nach der Maxime verfährt „das habe ich schon immer so gemacht“.
Er wird also nicht nur weiterhin ausdrucken, sondern auch alles, das irgendwie in Papierform ins Haus kommt, nach dem Scannen weiterhin aufbewahren. Er wird die Firma nicht nur Geld kosten, sondern auch noch das System in seiner Leistungsfähigkeit beschränken.
Ein Beispiel wie dieses kann und wird es bei vielen digitalen Umstellungen geben, denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Das müssen nicht einmal ältere Mitarbeiter sein.
Natürlich, Arbeitsanweisungen sind ein bewährtes Mittel: Der Chef sagt „so wird es gemacht“ und wer sich nicht daran hält, bekommt Ärger
Allerdings: Für eine verbesserte Akzeptanz digitaler Technologien sind solche Methoden eher kontraproduktiv, erzeugen Frust und sorgen dafür, dass das neue System nicht als Erleichterung empfunden wird, sondern als Zwang.
Änderung der Unternehmenskultur
Gerade in Firmen, die bisher noch sehr analog ausgerichtet waren, wird die Implementierung digitaler Lösungswege bereits automatisch für eine veränderte Unternehmenskultur sorgen.
Aber: Neue Hard- und Software kann immer nur die Spitze des damit verbundenen Eisberges sein. Hier ist es in der Folge notwendig, in Eigenleistung weiter danach zu streben, auch wirklich digital zu werden.
Das bedeutet auch, dass man sich mit Synergieeffekten befasst:
- Eine moderne Webseite ist schon ein sehr guter Anfang.
- Cloud Computing kann Prozesse unheimlich vereinfachen. Es bedingt aber, dass sich jeder Nutzer umfassend mit dem Thema Sicherheit auseinandersetzt.
- Digitale Prozesse wiederum erfordern, dass jeder Mitarbeiter zumindest in Grundzügen darin geschult ist, selbst wenn er nicht täglich damit zu tun hat. Beispiel: Der Außendienst-Monteur, der bei Fragen Reparaturanleitungen künftig per Tablet direkt vom Firmenserver beziehen kann.
Nur dann, wenn nicht nur die Technik stimmt, sondern auch das Denken und Handeln der Firma, kann wirklich eine Analogabschaltung betrieben werden, die nicht nur keinerlei Nachteile, sondern viele Vorteile mit sich bringt.
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